In einer Vielzahl von schriftlichen Werken und in mehreren Archiven muß man stöbern und suchen, wenn man sich mit der Geschichte unseres Dorfes vertraut machen will. Allein, es genügt noch nicht. Den im bescheidenen Umfang noch vorhandenen steinernen Zeugen früherer Jahre, die teilweise noch gut erhalten vor uns stehen, muß man seine Aufwartung machen, um das Bild heimatlicher Vergangenheit zu vervollkommnen. Zur Abrundung des Gesamtbildes aber schenkt uns schließlich die Oberfläche der Gemarkung Rudow selbst die Gelegenheit der Information, wenn man darin zu schauen und es zu deuten richtig versteht. Nichts liegt also näher als die Frage, warum entstand gerade hier eine Siedlung, ein Dorf. Fanden die Menschen eigentlich hier alles, was sie zum Leben brauchten, oder war es eine aus der Zeit geborene Zufluchtsstätte?
Unsere Vorfahren fanden, was sie zum Lebensunterhalt damaliger Zeit benötigten. Aber fangen wir doch richtig von vorn an und drehen das Rad der Geschichte deshalb weit, weit zurück.Mit dem Rückgang der urzeitlichen Eisströme sackten im Schwemmsand der Mark Brandenburg gewaltige Eisbrocken ein und blieben unverrückbar für ewige Zeiten liegen. So auch in unserer Rudower Gegend.
Gehen wir hinaus in die südliche Ecke der Gemarkung Rudows, um uns die vermutlichen Liegeplätze besagter “Eisstückchen” näher anzusehen. Von den Schönefelder Seen (Tiefe 62 m) im früheren Kreis Teltow (heute SBZ) zieht sich als Mulde eine Senke nach Norden, die am alten Grenzschnittpunkt vom Kreis Teltow/Stadt Berlin ebenfalls einen sumpfigen Pfuhl bildete (heute SBZ und teilweise verfüllt). Weiter nordwestwärts ziehend schließen sich dann Klar- und Röthepfuhl an. Letztgenannter teilte sich hier. Nordostwärts liegend der heutige Pfuhl östlich der jetzigen Deutschtaler Straße und in Fortsetzung Richtung Nord der Katenpfuhl am Neudecker Weg. In nordwestlicher Linie vom Röthepfuhl schlossen sich an der heutige Katzenpfuhl, westlich der Lolopfuhl und genau nach Nord verlaufend der Rohrpfuhl. Außerhalb dieser Richtung liegt bei der heutigen Gärtnerei Glätzner ein namenloser Pfuhl, während ein ebensolcher etwas nördlich vom letztgenannten vor Jahren verfüllt wurde.Die Fortsetzung vom Rohrpfuhl war in südlicher Richtung der frühere Bleichteich, nachfolgend hieß er Schmiedeteich heute trägt er die amtliche Bezeichnung Dorfteich. (Früher etwa 20 mal so groß.) Nordöstlich davon gelegen, gegenüber dem heutigen Grundstück Prierosser Straße 48 (Jagdschloß), lag dann in dieser Kette der Teich Schmers-Pfulikin. Im Kreuzungsbereich der jetzigen Straßen Kornblumenring/Wegerichstraße/Ranunkelweg dürfte gemäß des Rudower Feldmarkplans von 1777 ein weiterer Pfuhl vorhanden gewesen sein, der jedoch im Zuge späterer Besiedlung ebenso wie der Teich Schmers-Pfulikin verfüllt wurde. Diese Kette von 15 Pfuhlen, wir hören darüber in der Urkunde von 1662, als bestimmte Teiche zur Befischung freigegeben wurden, bildeten einen Zusammenhang in der sogenannten “Rudower Talrinne”.
Es gab also Teiche Bäche, Wiesen, Wald, Fisch, Reiher, Störche Milan, Bussard und Falke ebenso wie Rebhuhn, Wildgans, Trappe, Fasan, Hase, Reh und das nötige Ried (Schilfrohr) für die Dächer der Hütten und Häuser. Östlich dieser Talrinne befanden sich zwei Sandhöhen, auf denen heute die Massantesiedlung und die Kolonie “Rudower Schweiz” beheimatet sind. Die Erhebung, auf der die zuerst genannte Wohnsiedlung steht, trug einstmals die Bezeichnung Wein- bzw. Mühlberg. In diesem Gebiet ließ man sich bereits 200 bis 250 Jahre vor Christi nieder und siedelte. Die Ausgrabungen des Museums für Vor- und Frühgeschichte sind hierfür der beste Beweis. während man in dem Gebiet des heutigen Herzblattweges ein etwa 2000jähriges Körpergrab mit Grabbeigaben fand, wurde im Raume der Wegerichstraße/Ranunkelweg eine Rundsiedlung mit einem Langhaus, Spinnhaus und einem Kochhaus mit 14 gut erhaltenen Feuerstellen aufgedeckt. Der zweifellos beste Fund dieser Grabung aber war ein vorzüglich erhaltener Tiefbrunnen mit eichener Einstiegleiter.
Hier also stand eine der ersten Siedlungen unseres Dorfes.
Die zahlreichen, über die Gemarkung Rudow verbreiteten Funde wie Steinbeile, Pfeilspitzen, Pfeile, Schilde, Schleifsteine, Herdgruben, Vasen, Amphoren, bronzezeitliche Tassen, Ringe, Gürtelhaken, Nadeln, Reibesteine, Ketten, Spinnwirtel, steinerne Mahltröge Steinpackungsgräber und eine Vielzahl von Grabbeigaben, wie diese besonders auf den vorgeschichtlichen Friedhöfen (Köpenicker Straße 1/5 und Kolonie “Rudower Schweiz”) anfielen, sind Zeugen der Besiedlung und Beweis emsig betriebener Jagd ihrer Bewohner.Von all diesen Dingen aber besitzt die dörfliche Gemeinde nicht ein einziges Stück. Es nimmt also nicht wunder, wenn vom noch Verbliebenen die eigentlichen Bewohner wenig oder gar nichts mehr erfahren.
Das Urdorf Rudow ist in sogenannter H-Form angelegt. Am Verlauf der Prierosser und Neuköllner Straße als senkrechte Schenkel und der Köpenicker Straße als Querbalken ist die Dorfanlage gut erkennbar. Sie dürfte etwa im 12. bis 13. Jahrhundert entstanden sein, als sich die Bewohner näher um die großen Wasserstellen von Bleichteich, Katenpfuhl und Schmers-Pfulikin herum siedelten. Urkunden über eine Namensgebung dieser Erstsiedlung gibt es bedauerlicherweise nicht. Vor rund 594 Jahren,1373 und 1375, wird urkundlich erstmals etwas Authentisches über Rudow gesagt, als es um den Zuspruch der zwischen Buckow und Rudow gelegenen Bruchwiese ging (1373 Markgraf Otto).
Ob unser Dorf zuerst Rüd- oder Rudawe bzw. Rudau oder Rüdow hieß, ist kaum einwandfrei feststellbar. Nehmen wir daher den in den Urkunden von 1375 und 1404 niedergelegten Dorfnamen “Rudawe” urkundlich belegt und geklärt als ältesten an und lassen ihn dem Dorf zur Ehre gelten (Wortlaut der Urkunde siehe Anhang).
Vor 1350 müssen jedoch schon Anwohner aufhältlich gewesen sein, denn die beim Kirchenumbau (1909) entdeckten Reliefmuster am Grundgemäuer lassen nach Ansicht der Altertumsforscher keinen Zweifel zu, daß Zisterziensermönche vom Kloster Lehnin in der ersten Hälfte des 13.Jahrhunderts diese Kirche erbaut haben.
Mit 64 Hufen (3840 Morgen) Land erfahren wir dann aus dem Landbuch von 1375 etwas über die Rudower Feldmarkgröße und deren Besitzverteilung. Krug und Mühle, deren Besitzer zu Abgaben verpflichtet waren, finden in dieser Urkunde bereits Erwähnung, jedoch sind über die Standorte keine Anhaltspunkte aufgezeichnet.
1451 sind dann mehrere Einwohner namentlich im Schoßregister (Grundbuch) als Hüfner (Besitzer unbestimmter Menge bäuerlichen Grundes) genannt, darunter auch der historisch nachweisbar älteste Name “Cruger”.
Nicht wer was besaß, wer verlor, wer wen heiratete, wer Lehrer, Pfarrer oder Küster, Garn- oder Leineweber, Fischer, Müller, Krugwirt, Schmied oder Bauer war, soll uns interessieren, denn darüber gibt es von 1373 bis 1967 eine recht gute Zusammenfassung, sondern einzig die Geschichte des Dorfes. Aufbau und Verwüstungen durch kriegerische Handlungen lösten sich ab mit Seuchen und Pest, so daß die Einwohnerzahl bis fast zum völligen Aussterben dezimiert wurde.
Waren nach dem Erbregister von 1576 noch namentlich etwa 13 Familien bekannt, so lebten nach den Wirren des 30jährigen Krieges nur noch die Einwohner Mette, Kruger und Rohrbeck. Durch den Zuzug von 8 Familien erfolgte eine Einwohnerauffrischung, so daß im Jahre 1624 im Dorf etwa 182 Personen lebten.
Bis 1652 sank die Einwohnerzahl durch Seuchen jedoch wieder auf 151 ab.
Während all dieser Jahre teilten sich die Landbesitzteile in Güter, Hüfner- und Kossätenhöfe. deren Besitzregelung durchweg durch Lehnbriefe des Landesherrn erfolgte.
So wissen wir, daß zum Beispiel die Gutsbesitzer Dyrike, Lindholz, von Kötteritz und Kurfürst Joachim II. einige der eigentlichen Dorfherren waren und Hüfner und Kossäten aus ihrem Besitz belehnten. Besonders deutlich kommt dies in einer Urkunde von 1662 zum Ausdruck, als einige Hufebesitzer den Bleichteich, Schmers-Pfulikin, Katen- und Röthepfuhl zur Befischung zugesprochen erhielten. Daraus darf geschlossen werden, daß die aufgezählten Pfuhle untereinander durch Bäche in Verbindung standen; denn Fische halten sich nach den Naturgesetzen nur in fließenden Gewässern.Nicht viel anders kann es mit der Bewaldung ausgesehen haben, denn erst 1672 kam es über die Abgabe des sogenannten Stammgeldes zum freien Holzbezug aus den umliegenden Waldungen.
(Spätere Aufforstungen müssen stattgefunden haben, denn in der Urkunde vom 6.10.1840 spricht man von der Holzweide und vom Bauernholze in Rudow. Die Urkunde vom 9.12.1845 besagt Ähnliches mit den Worten: Das Holz auf der Pfarrplane muß bis 1.4.1846 und das Holz der Bauern und Kossäten bis zum 1.4.1847 restlos abgeholzt werden. Zu diesen schriftlichen Hinweisen kommt ein mündlicher meines noch in Köpenick lebenden,1878 in Johannisthal geborenen Vaters, der besagt daß sein Großvater 1816 und sein Vater,1846 in Johannisthal geboren, beide Schäferhirten, sowohl die Königsheide, Johannisthaler Heide und das Rudower Gehölz eingehend kannten. Danach lag es etwa im Gebiet der heutigen Rudower Straßenzüge Neudecker Weg, Mimosenweg, Mistel-, Buchsbaumweg und Krokusstraße.)1681 legt der Pfarrer Schütze als Ersatz für das älteste verlorengegangene Kirchenbuch von 1563 ein neues an.Mit dem Kommen und Gehen der Fürsten wechselten auch die Gutsherren und so wissen wir, daß von Heidekamp, König Friedrich I., Loeper, Jancke und Grothe solche Grundherren waren und dem Dorf ihr Gepräge gaben.
All dies Wissenswerte hinterließ uns der 1735 verstorbene Dorfpfarrer Daniel Winter, der hier im Dorf 47 Jahre lang Seelsorger war. Aus einer Urkunde vom Jahre 1702 ist zu entnehmen, daß das Rittergut (Prierosser Straße 59-63) in der Prierosser Straße 48 einen Lustgarten hatte, während sein Gemüsegarten (Ackerwöhrde) an der Neuköllner Straße 328/334 lag, bis schließlich König Friedrich I. tief in die Tasche griff, 30000 Taler bezahlte und alles unter seinen Hut brachte.
Südlich vom Dorfkern, am Eichenauer Weg-Ecke Exiner Straße, ungehindert den wehenden Winden ausgesetzt, erbaute im Jahre 1858 die Müllerfamilie Brandt die zweite Bockmühle (Abb.). Die ältere der beiden Mühlen, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut wurde, fiel im Jahre 1891 einem verheerenden Feuer zum Opfer. Sie wurde nicht mehr aufgebaut. Die unten abgebildete Mühle wurde 1918 von Karl Brandt nach Breddin in der Prignitz verkauft, wo sie bis 1940 nachweisbar war.
Von dem zu jedem Dorf gehörenden Dorfkrug (Neuköllner Straße 373/375), der dem Cruger und Bauern Friedrich Krüger gehörte, lesen wir 1749, daß er in der Neuköllner Straße 365/367 auch noch das sogenannte “Jägerhaus” sein eigen nannte.
Auf Geheiß des Königs mußten 1753 erhebliche Teile der Rudower Feldmark (287 Morgen), der Lustgarten (Prierosser Straße 48) und der diesem Grundstück gegenüberliegende Teich Schmers-Pfulikin zur Gründung der Kolonie Johannisthal abgetreten werden.
Eine wohl der ältesten Karten aus dieser Zeit ist der Rudower Feldmarkplan von 1777. Aus diesem ist die Lage des “Urdorfes” am besten ersichtlich, denn die heutige Prierosser Straße (früher Dorf- bzw. Bendastraße), die Neuköllner Straße(früher Kaiser-Wilhelm-Straße) und die Köpenicker Straße (früher Glienicker Weg) sind darauf in ihrer Lage erkennbar, während die Krokusstraße nur als Feldweg erscheint. Zu dieser Zeit füllte bis auf einen schmalen Uferstreifen der Bleichteich (heute Dorfteich) die gesamte Größe des Grundstücks Neuköllner Straße 365/367 aus, während sein südlicher Teil über die Neuköllner Straße hinweg (Grundstück 364) fast bis zum heutigen Rudower Fließ reichte. Die Passage an dieser Stelle der Neuköllner Straße erfolgte über eine Holzbrücke. Zwischen dem auch 1777 schon vorhandenen Fließ und dem südlichen Teil des Bleichteichs lag lediglich eine moorige Wiese, die zur Nachthütung des zusammengetriebenen Viehs benutzt wurde. Der Fließverlauf wurde in Höhe der heutigen Post* von einer zweiten Holzbrücke überspannt, während der Bach im Gebiet des heutigen Ehrenpreisweges in Richtung Nord weiter seinen Lauf nahm.
Zur Bullenkörung und zum Viehhandeln trieb man in jener Zeit das Vieh zu dem “Acker am Bullenweg” auf, der im Bereich der heutigen Straßen Kornblumenring, Ehrenpreisweg und Kornradenstraße lag. Wassernot und Dürrezeiten (1755 und 1803) aber kannten auch unsere Vorfahren, so daß Ernährungs- und Aussaatschwierigkeiten mehrfach in die dörflichen Geschicke eingriffen und im Land allgemeine Teuerung einsetzte.Nach 34 Jahren, also 1787, kehrten die 1753 abgetrennten Teile jedoch in die dörfliche Heimat Rudows zurück. Vereint mit anderen Äckern entstand daraus das Freigut Rudow, das in der Prierosser Straße von den heutigen Nummern 36-54 einschließlich Teich Schmers-Pfulikin, in der Neuköllner Straße von 339-357 und dem Grundstück Nr. 328-334 (Gemüsegarten Ackerwörde) reichte.
Die vorweihnachtliche Stille des 15.12.1799 (Sonntag) wird jäh im friedlichen Dorf unterbrochen, als das Geläut der Sturmglocke Feuer verkündet. Im Haus der Küsterei zum Ausbruch gekommen, greifen die Flammen windbegünstigt auf die Pfarrei, Amtsschäferei, Schmiede, Dorfkrug und mehrere Bauern- und Kossätenhöfe über und legen alles in Schutt und Asche.
Wichtige Entscheidungen fallen für alle Landesbewohner, als am 17. 2.1818 die Leibeigenschaft und am 28.10.1824 die Naturaldienstabgaben gesetzlich aufgehoben werden.
Fleiß, Sparsamkeit und Streben zur Eigentumsbildung blühen auf und schenken dem Land eine segensreiche Zeit. Es wird gebaut und ausgebaut, wie es auch aus einem Bauplan der Familie Ehling von 1827 hervorgeht. Präzise sind die Grundverhältnisse von Geh. Rat Wölper und den Familien Rietz und Zeige als Anrainer notiert. Der wichtigste Hinweis aber betrifft den ehemaligen “Zeinersteig” oder auch “Fußsteig nach Cöpnick”, wie er ursprünglich verlief und für ein kurzes Stück heut noch vorhanden ist (Grundstück Krokusstraße 81).Eine ähnliche Aufklärung über die Grundverteilung vom Freigut, Janckeschem Büdnergut, Heidekamp-Garten Gärtner- und Jägerhaus, sowie auch die Schmiede gibt uns die Rainerkarte von 1842.
Im Jahre 1856, als etwa das Geschlecht derer von Benda Gutsherren waren, hören wir, daß die Einwohnerzahl inzwischen auf 591 gestiegen war. Der im Laufe der Jahrhunderte mehrfach seinen Namen wechselnde Besitz Prierosser Straße 48 von Lustgarten über Freigut zum Jagdschloß taucht unter dem letztgenannten Namen erstmals am 4.10.1669 auf, es bezeichnet das etwa im 17.Jahrhundert erbaute und noch stehende Gebäude mit Garten.
Erst vor kurzer Zeit (1967) wurde in der Neuköllner Straße 356 mit dem Teilabriß von Gebäuden begonnen, von denen aus, etwa von 1872 bis 1906, die Schwestern vom “Ursulin-Orden” ihre segensreiche Tätigkeit ausübten. Steter Besitzwechsel beim Rittergut, besonders aber beim Freigut Rudow, allmählich einsetzende Erbstreitigkeiten und Verarmung führten schließlich zu Teilverkäufen vom Landbesitz des Rittergutes und zum völligen Zerfall des Freigutbesitzes.Dieser Niedergang war jedoch nur vorübergehender Natur. Neue Höfe entstanden, vielseitige Wirtschaftszweige taten sich auf, das Erntegut mußte auf die Märkte der umliegenden Großdörfer und Städte gebracht werden, und so führte dieser Umstand zum Straßenausbau: 1879 nach Adlershof,1885 nach Buckow,1888 nach Johannisthal,1907 nach Groß-Ziethen.
Von der Neuköllner Straße 369-371 her drang wuchtiger Hammerschlag durch des Dorfes Stille, wenn die Bauern beim Schmied um neuen Beschlag von Pferd und Wagen nachsuchten. Etwa zur gleichen Zeit trug man das ehrenwürdige Amt des Nachtwächters zu Grabe, und eine der volkstümlichen Gestalten dörflichen Lebens verschwand für immer in Rudow.Wie in vielen anderen Orten der Mark die Segnungen der neuen Zeit fühlbar in die Geschicke der Menschen eingegriffen hatten, so kam in Form der Eisenbahn 1900 auch das “Dampfroß” nach Rudow, und es hieß künftig lakonisch “Station Rudow bei Berlin”.
Die bis zum heutigen Tage nie aufhörende “Buddelei” begann für Rudow schon am 2. 5.1901, als es hieß, das Dorf erhält die ersten Gaslaternen.
1903 verkaufte der Rittergutsbesitzer von Benda größere Teile seines Landbesitzes. Es wurde gesiedelt und gebaut, und schließlich zwang die auf 1700 Seelen angestiegegene Einwohnerzahl 1904 den Gemeindevorstand, mit dem Verlegen von Wasserleitungen zu beginnen. Als die alte liebgewonnene “Berliner Pumpe” vom Dorfbild verschwand, kam gleichfalls die Geburtsstunde der noch heute bewährten “freiwilligen Feuerwehr Rudow”.
Zwischenzeitlich waren dann auch die Kirchenumbauarbeiten beendet. Rumpelnd und ratternd fuhr dann von Rixdorf kommend am 1.10.1913 eingleisig die erste Straßenbahn in Rudow ein. (Einstellung des Straßenbahnverkehrs nach 53 Jahren am 1.10.1966.) Mit Beendigung des Krieges 1914/1918 pilgerten dann die lufthungrigen Städter aufs Land, bauten, siedelten, und sprunghaft ist die Einwohnerzahl bis 1933 auf 12000 hochgeschnellt. Die verderbliche Zeit des Krieges 1939/1945 ging auch am heimatlichen Dorf nicht spurlos vorüber. Tote und Verletzte, abgebrannte und eingestürzte Häuser durch Bombenabwürfe gab es auch hier. Gemessen aber an dem unsagbaren Leid der Berliner Innenstadt, der Vertriebenen, der Flüchtlinge und Kriegshinterbliebenen hielten sich die Verluste und Schäden in Rudow in erträglichen Grenzen. Die nach 1945 einsetzende gemeindemäßige und politische Entwicklung aber kennen Sie alle selbst.
Rudow lebt und besteht weiter. Die neuen Anlagen wie Mustergut (Klein-Ziethener Weg), Milchhof(Waßmannsdorfer Chaussee), Kraftwerk Rudow, Fabriken, Siedlungen, Autobuslinien und die Großbaustelle Gropiusstadt beweisen es.
Aus diesem Dorf Rudawe von 1373 mit 13 Familien (ca. 60 Personen) ist die stattliche Gemeinde von rund 25 000 Einwohnern 1967 geworden.
Eine wahrhaft ehrenvolle Geschichte 594jährigen Bestehens.
Bruno Galle (ehemaliger Reviervorsteher in Rudow)
Anmerkung: Der Milchhof wurde in der Nacht vom 30./31. März 1967 Opfer eines Brandstifters. Der Täter konnte gefaßt werden, – es war der Melkergehilfe.
Diese Chronik ist entnommen aus: RUDOW 2 Chroniken (erschienen November 1986). Herausgeber dieser Broschüre war die Bürgerinitiative „Rettet Rudows Felder”